„Michendorf hat das Blatt überreizt“
- Redaktion
- 4. Mai
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Michendorf – Die Gemeinde Michendorf steht finanziell unter Druck. Aus der Sicht der örtlichen CDU-Fraktion droht der Kommune sogar die Haushaltssicherung – ein Notfallplan, der gravierende Einschnitte in das öffentliche Leben bedeuten würde. Die Verwaltung sieht hingegen keine akute Gefahr und verweist auf laufende Konsolidierungsmaßnahmen. Unterdessen könnten geplante Mittelkürzungen des Landes die Lage weiter verschärfen. Politik und Verwaltung ringen nun um einen transparenten Umgang mit der Situation.
Die CDU-Fraktion in der Michendorfer Gemeindevertretung hat Alarm geschlagen: Nach Analyse der neuesten Finanzzahlen befürchten die Christdemokraten, dass die Gemeinde auf ein formelles Haushaltssicherungskonzept zusteuert. „Michendorf hat das Blatt überreizt“, kritisiert Fraktionschef Jens Schreinicke. Seit der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2025/2026 im November habe sich die Lage weiter verschlechtert – und aus Sicht der CDU werde das Ausmaß bislang weder offen kommuniziert noch verantwortungsvoll gesteuert. „Es geht nicht um parteipolitisches Klein-Klein“, so Schreinicke weiter. „Es geht darum, ob Michendorf noch aus eigener Kraft handlungsfähig bleibt – oder demnächst jede Ausgabe von der Kommunalaufsicht genehmigt werden muss.“
Tatsächlich zeichnen die aktuellen Finanzberichte ein düsteres Bild. Laut CDU zeigen neue Zahlen der Kämmerin unter anderem:
Ein negatives ordentliches Ergebnis von über 4,5 Millionen Euro.
Einen voraussichtlichen Zahlungsmittelbestand von –826.315,96 Euro zum 31. Dezember 2025 – selbst unter optimistischen Annahmen.
Investitionen fast ausschließlich kreditfinanziert, während zentrale Einnahmen wie Schlüsselzuweisungen, Einkommenssteueranteile und Grundstückserlöse hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Offenbar zu niedrig angesetzte Personalkosten, wobei die Auswirkungen der TVöD-Tariferhöhung bislang nicht konkret beziffert wurden.
„Wir sehen eine große Gefahr für unser Kultur- und Vereinsleben, die bisher nicht thematisiert wird“, warnt Schreinicke. „Haushaltssicherung bedeutet: freiwillige Leistungen auf dem Prüfstand, Steuererhöhungen, Baustopps und politische Handlungsunfähigkeit – das darf nicht zur neuen Realität in Michendorf werden.“ Die CDU fordert Transparenz, klare Prioritäten und eine frühzeitige Kurskorrektur.
Vor diesem Hintergrund hat die CDU einen Fragenkatalog an die Verwaltung angekündigt. Gefragt wird unter anderem, wo konkret gespart wird, welche Risiken in die Berechnung des Kassenbestands eingeflossen sind und wann sowie in welcher Form die Gemeindevertreter über eine mögliche Haushaltssicherung informiert werden.
Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, warum die CDU Alarm schlägt. Ursprünglich hatte der im November 2024 beschlossene Doppelhaushalt für 2025 einen kleinen Überschuss von rund 975.800 Euro vorgesehen. Doch bereits zum Stichtag 28. Februar 2025 wurde ein Defizit von etwa 4,52 Millionen Euro im ordentlichen Ergebnis festgestellt. Die Verwaltung nennt als Ursachen unter anderem niedrigere Einnahmen aus Schlüsselzuweisungen und Einkommensteueranteilen sowie den Ausfall eines geplanten Grundstücksverkaufs über eine Million Euro.
In diesem Jahr stehen investive Auszahlungen von fast 18,8 Millionen Euro an – zum Großteil kreditfinanziert. Damit sinkt die Liquidität der Gemeinde. Zum Jahresbeginn standen rund 5,2 Millionen Euro zur Verfügung, bis Jahresende wird ein Kassenbestand von etwa –1,98 Millionen Euro prognostiziert. Selbst unter Risikoberücksichtigung ergibt sich voraussichtlich ein Negativsaldo von rund –826.000 Euro – genau jener Wert, der die CDU alarmiert hat.
Die Verwaltung hat bereits reagiert. Ausgaben wurden zurückgestellt, freie Mittel gesperrt und ein internes Kontrollsystem eingerichtet. Einige Sparmaßnahmen sind im Haushalt verankert: So sollen in den Jahren 2025 und 2026 kein Bürgerhaushalt aufgelegt und die Mittel für Wirtschaftsförderung gestrichen werden. Einsparvolumen: etwa 60.000 Euro. Zudem steigt der Hebesatz der Gewerbesteuer von 325 auf 340 Punkte, was jährlich rund 150.000 Euro zusätzliche Einnahmen bringen soll. Drastischere Einschnitte sind bislang nicht vorgesehen.
Hinzu kommt ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Die Brandenburger Landesregierung plant ein Haushaltsbegleitgesetz 2025/2026, das auch Michendorf treffen würde. Durch die Streichung des Familienleistungsausgleichs und die Abschöpfung des kommunalen Umsatzsteueranteils droht der Gemeinde ein Einnahmeverlust von rund 930.000 Euro. Die Verwaltung hat sich gegen die Kürzungspläne positioniert und warnt vor den Auswirkungen. Noch ist unklar, ob das Gesetz tatsächlich verabschiedet wird. Sollte es in Kraft treten, wäre ein Nachtragshaushalt oder sogar eine Haushaltssperre möglich.
Offiziell gibt sich die Verwaltung zuversichtlich. Nach Darstellung der Bürgermeisterin steht Michendorf derzeit nicht vor einer akuten Haushaltssicherung. Eine geordnete Konsolidierung sei eingeleitet, die Gemeinde bewege sich im Rahmen des beschlossenen Haushalts. Die in der CDU-Pressemitteilung gezeichnete Zuspitzung sei aus Sicht der Verwaltung derzeit nicht gerechtfertigt.
Allerdings bleibt festzuhalten: Die Verwaltung hat auf eine Presseanfrage der MIR-Redaktion vom 24. April mit konkreten Fragen zur Haushaltslage bislang nicht geantwortet. Zwar soll die Bürgermeisterin in einem internen Schreiben an die Gemeindevertreter Stellung bezogen haben – dieses liegt der Redaktion jedoch nicht vor. Eine öffentliche Einordnung wurde lediglich gegenüber der MAZ vorgenommen. Die Redaktion wartet weiterhin auf eine offizielle Stellungnahme.
Kritiker bemängeln zudem, dass bislang keine konkreten Angaben zu den Mehrkosten durch die TVöD-Tariferhöhung gemacht wurden. Auch die Personalkostensteigerungen im Haushalt erscheinen angesichts des aktuellen Tarifabschlusses eher knapp kalkuliert.
Unterstützung für eine sachliche Debatte kommt von der FDP. Deren Gemeindevertreter Axel Lipinski-Mießner bezeichnete die CDU-Fragen als „legitim und nachvollziehbar". Es gehöre zur Aufgabe der Gemeindevertretung, die Haushaltsentwicklung kritisch zu begleiten. Gleichzeitig warnte er vor einer öffentlichen Dramatisierung. Vertrauen in demokratische Prozesse entstehe durch Sorgfalt im Umgang mit Zahlen.
Die Finanzlage bleibt angespannt. Ob Michendorf die Konsolidierung aus eigener Kraft schafft, dürfte sich in den kommenden Monaten zeigen. Klar ist: Sollte die Haushaltssicherung unausweichlich werden, stünden der Gemeinde einschneidende Entscheidungen bevor.
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