REWEgate in Langerwisch: Vom Nahkauf zur Nahkampfzone
- Oliver Plattig
- 11. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Kommentar - Langerwisch, 2025. Ein Dorf. Eine Wiese. Ein geplanter Supermarkt. Und mittendrin: eine Debatte, bei der selbst die Passanten in der Fußgängerzone von Weimar müde abwinken würden. Was als schlichte Nahversorgung begann, ist längst zur ideologischen Hochrecknummer geworden. In Langerwisch wird nicht mehr einfach eingekauft – hier wird Weltpolitik gemacht. Zumindest gefühlt.
Laut dem Verein „Langerwischer Obstgarten e.V.“ steht Langerwisch kurz vor dem Untergang. Schuld: ein REWE-Markt, der mit einer Länge von 83 Metern angeblich das gesamte Raum-Zeit-Gefüge des Mittelgrabens zu kippen droht. Vereinsvorsitzender Justus Mayser, Architekt, Landschaftspatriot und erklärter Freund alternativer Nutzungen, hat auch direkt einen Gegenvorschlag parat: Wohnhäuser. Auf exakt demselben Grundstück. Zufall? Sicher nicht.
Mayser ist nicht einfach Kritiker – er ist gleich Architekt seiner eigenen Empörung. Visualisierungen seiner Alternativbebauung werden im Dorf herumgereicht wie Omas Apfelkuchen. Dass ausgerechnet jemand, der selbst bauen will, den Bau anderer als skandalös bezeichnet, ist – wie sagt man charmant? – originell. Im Sport nennt man sowas Eigentor. In Langerwisch nennt man es Bürgerinitiative.
Währenddessen hat sich ein zweites Lager formiert: Menschen mit Kinderwagen, Fahrradtaschen und dem unerschütterlichen Wunsch, Milch nicht mehr in Caputh kaufen zu müssen. Unter dem Motto „JA zum REWE“ fordern sie das Unfassbare: fußläufige Versorgung, ein Ende des Einkaufs-Tourismus – und einen Markt, der aussieht, als wäre er für Langerwisch gebaut worden (weil er es ist).
Ortsvorsteher Kay Uwe Fleischmann bringt es auf den Punkt: Weniger als zehn Prozent seien gegen das Projekt. Die anderen 90 Prozent hätten wohl einfach Besseres zu tun, als nachts Visualisierungen zu layouten. Auch die CDU, nicht zwingend bekannt für Satire, aber dafür für Klartext, stellt klar: Hier blockiert eine kleine Gruppe aus ideologischen Gründen ein Projekt, das vielen Menschen wirklich hilft. Und man fragt sich: Seit wann ist Einkaufen eigentlich ideologisch?
Der oft ins Feld geführte Alternativstandort an der Bahn klingt toll. Ist aber Gemeindegrundstück, nicht erschlossen, zu weit weg – und sowieso: Hat jemand mal an die Fußgänger gedacht? Man kann die Nahversorgung eben nicht auf die lange Bank schieben, nur weil ein Landschaftsgestalter lieber Reihenhäuser hätte.
In Langerwisch entsteht nicht nur ein REWE. Es entsteht ein Stück Dorfgeschichte – zwischen Obstgartenromantik, Planungs-Eitelkeit und dem ganz banalen Wunsch nach einem Liter Milch ohne 5 km Umweg.
Wer noch Einwände hat, darf sie bis zum 25. Juli bei der Gemeinde einreichen. Danach bleibt nur noch der Protestmarsch mit Einkaufswagen.
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