„Das ist mehr als ein See. Das ist Heimat – und Heimat lässt man nicht austrocknen.“
- Boris Brakebusch

- 5. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Wildenbruch - Der Große Seddiner See – eingerahmt von Kähnsdorf, Seddin, Wildenbruch und Lehnmarke – wirkt in vielen Momenten zeitlos. Haubentaucher ziehen leise Bahnen, Libellen schwirren über dem Schilf, und das Wasser glitzert wie poliertes Glas. Doch die stille Oberfläche täuscht. Seit Jahren sinkt der Pegel spürbar. Ufersäume trocknen aus, alte Bootsanleger liegen weit im Sand.
Nach Messreihen des Landesamts für Umwelt Brandenburg hat der See seit etwa 2013 rund 1 bis 1,5 Meter an Wasserstand verloren. Besonders seit den Dürrejahren ab 2018 habe sich der Rückgang beschleunigt. Wo früher ein zusammenhängender Wasserspiegel lag, sind heute breite Flachufer und freiliegende Sandflächen sichtbar.
Entstanden ist der Große Seddiner See vor rund 10.000 Jahren in einer Schmelzwasserrinne. Als klassischer Grundwassersee wird er nicht durch Zuflüsse gespeist, sondern durch das Grundwasser. Dieses empfindliche Gleichgewicht ist ins Wanken geraten: weniger Grundwasserneubildung durch trockene Winter, höhere Verdunstung in heißen Sommern und zusätzliche Wasserentnahmen in der Umgebung setzen dem See zu.
Seit der Bronzezeit zieht der See Menschen an. Slawische Siedlungen, mittelalterliche Handelswege zwischen Berlin und Leipzig, Landwirtschaft, Fischerei – all das hat die Landschaft geprägt. Heute prägen Spaziergänger, Angler, Badende und der Golfclub Seddiner See das Bild. Wichtig ist dabei, dass der Golfplatz nicht im Dorf Seddin liegt, sondern im Michendorfer Ortsteil Wildenbruch/Lehnmarke.
Eine Anwohnerin aus Kähnsdorf sagte, sie sei hier groß geworden. Früher habe das Wasser bis an die Weiden gereicht. Heute könne sie weit hinauslaufen, ohne nasse Füße zu bekommen. Das schmerze, meinte sie – ein persönlicher Eindruck, der die Veränderungen sichtbar macht.
Hydrologen führen den Rückgang des Wasserstands auf das Zusammenspiel aus Klimadürre, steigender Verdunstung und regionalen Wasserentnahmen zurück. Auch wenn moderne Bewässerungstechniken genutzt werden, bleibe die Entnahme für den benachbarten Golfplatz ein Thema, über das in der Region offen diskutiert werde.
Im Raum steht weiterhin die alte Idee, Wasser aus der Nieplitz in den See zu leiten. Fachlich werde derzeit geprüft, ob eine solche Zufuhr den Grundwasserhaushalt stabilisieren könnte. Viele Fragen seien offen: technische Machbarkeit, Genehmigungen, ökologische Auswirkungen und Kosten. Fest steht: Das Land Brandenburg hat eine finanzielle Beteiligung an einer möglichen Wassereinleitung aus der Nieplitz abgelehnt. Damit liegt die Verantwortung für Planung und Finanzierung derzeit bei der Region – obwohl der See weit über die Gemeinde hinaus als Natur- und Erholungsraum geschätzt wird.
Parallel dazu werden bestehende Entnahmegenehmigungen überprüft, Uferbereiche renaturiert und das Monitoring des Wasserstandes weiter verstärkt. Ziel ist es, den See zu verstehen, zu schützen und klug zu bewirtschaften – bevor Schäden unumkehrbar werden.
Eine kleine spontane Befragung am See ergab, dass rund 72 Prozent der Befragten große Sorge um den See äußerten, weitere 18 Prozent hielten die Lage für ernst, aber lösbar. Nur wenige sahen momentan keine Gefahr. Ein Einwohner aus Wildenbruch sagte, man könne nicht warten, bis jemand die eine große Lösung präsentiere. Jeder könne helfen, damit der See lebe. Ein älterer Herr in Seddin meinte, das sei mehr als ein See – das sei Heimat, und Heimat lasse man nicht austrocknen.
Vom eiszeitlichen Becken zur bronzezeitlichen Siedlung, vom slawischen Uferdorf zur Handelslandschaft – der Große Seddiner See hat viel erlebt. Jetzt entscheidet ein einziges Element über seine Zukunft: Wasser.




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