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Die verschwundenen Dörfer am Lienewitzsee: Geschichte zwischen Wasser und Wald

Michendorf - Wer heute am Großen Lienewitzsee bei Michendorf spazieren geht, ahnt kaum, dass hier einst zwei Dörfer lagen: Hohen-Lienewitz am Südufer und Nieder-Lienewitz am Nordufer. Bäume und Schilf haben sie längst verschluckt – doch ihre Geschichte liegt noch im Boden verborgen.


Lange bevor die ersten deutschen Siedler kamen, lebten slawische Bewohner in der Region. Keramikreste und Scherben, die im Gelände gefunden wurden, deuten auf diese frühe Besiedlung hin . Wahrscheinlich existierten hier bereits im 12. Jahrhundert kleine slawische Häusergruppen, die später von deutschen Bauern übernommen wurden.


Im späten 14. Jahrhundert waren Hohen- und Nieder-Lienewitz bewohnte Dörfer. Archäologische und urkundliche Hinweise zeigen, dass dort einfache Bauern in Holzhäusern mit Strohdächern lebten, Vieh hielten und ihre Felder mit Ochsengespannen bearbeiteten. Das Leben folgte dem Rhythmus der Jahreszeiten, gekocht wurde auf offenen Herden, auf den Feldern wuchsen Kohl und Rüben.


Die Dörfer standen vor 1444 im gemeinsamen Besitz der Familien von Ziegesar und von Hake, zweier märkischer Adelsgeschlechter. Die Bewohner leisteten Abgaben in Form von Getreide, Butter und Eiern – ein übliches System im mittelalterlichen Brandenburg. 1444 gingen die wüsten Fluren an Propst Peter von Klitzing über, ein Jahr später wurde die Lehnshoheit zwischen den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg neu geregelt.


Am Abfluss des Sees Richtung Caputher See ist 1682 eine Wassermühle belegt. Sie galt als wirtschaftlicher Mittelpunkt, an dem Korn gemahlen wurde und sich die Menschen trafen. Durch die Lienewitzer Heide führte außerdem ein alter Heerweg, der bereits 1445 in Urkunden erwähnt wird. Über diese Verbindung gelangten Waren in Richtung Schwielowsee und weiter nach Potsdam und Berlin.


Bereits 1435 werden die Orte als „wüst“ bezeichnet – also verlassen. Kriegszüge, Missernten oder drückende Abgaben könnten das Dorfleben unmöglich gemacht haben. 1444 und 1445 gingen die Fluren in andere Hände über, und die Natur begann, sich das Land zurückzuholen.


Im 18. Jahrhundert kehrte kurzzeitig neues Leben zurück. Um 1730 entstand ein Teerofen, 1734 ein Büdnerhaus, später ein kleines Vorwerk. Das heutige Lienewitz entwickelte sich aus diesen Ansiedlungen – ein zarter Neubeginn inmitten des Waldes.


Und dann gibt es da noch einen besonderen Zeitzeugen: die mächtige Stieleiche am Kleinen Lienewitzsee. Baumregister schätzen ihr Alter auf rund 300 bis 350 Jahre. Vielleicht stand sie schon, als der Teerofen qualmte und die ersten Kolonisten ihre Felder bestellten.


Wer heute unter ihrem Schatten steht und über das glitzernde Wasser blickt, spürt, wie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen. Der Lienewitzsee erzählt leise – aber wer zuhört, erfährt von Jahrhunderten, von Hoffnung, Arbeit und stillem Verschwinden.

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